Kurz vor der Sommerpause hat der BGH noch einmal Gas gegeben und in gleich vier Verfahren zum VW-Abgasskandal Urteile gefällt. Die vielleicht folgenreichste Entscheidung: VW-Kunden, die ihre Dieselfahrzeuge erst nach der Aufdeckung des Abgasskandal gekauft haben, gehen möglicherweise leer aus. Ob sie ihre Ansprüche gegenüber dem Autokonzern geltend machen können, wird künftig stark von den konkreten Details ihres Falles abhängen.
Am 28. Juli hat der VI. Zivilsenat des BGH den Fall eines VW-Kunden verhandelt, der seinen Touran erst im August 2016 gekauft hatte, also nachdem die Softwaremanipulationen ans Licht gekommen waren. Die Vorinstanzen, das Landgericht Trier (03.05.2019, Az. 5 O 686/18) und das Oberlandesgericht Koblenz (02.12.2019; Az. 12 U 804/19), hatten seine Klage zurückgewiesen.
Dieser Haltung hat sich der BGH angeschlossen (Az. VI ZR 5/20). Zwar kritisierte der Vorsitzende Richter Stephan Seiters die Informationspolitik von Volkswagen und stellte erneut fest, dass der Autokonzern seine Kunden vorsätzlich sittenwidrig getäuscht habe – allerdings nur bis zum Herbst 2015. Danach habe Volkswagen sein Verhalten geändert. Mit einer Ad-hoc-Mitteilung über „Unregelmäßigkeiten“ beim Dieselmotor EA 189 und der Einrichtung einer Informationsseite im Internet, habe der Konzern zwar spät und nur auf Druck, aber immerhin doch seine Kunden informiert. Auch aufgrund der nachfolgenden umfangreichen Medienberichterstattung habe der Käufer des Turan wissen müssen, worauf er sich einlässt. Kein Schadensersatz bei Kauf nach Kenntnis – das betrifft etwa 10.000 noch anhängige Verfahren gegen Volkswagen. Hier wird es jetzt umso mehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalls und den anwaltlichen Vortrag ankommen.
Dr. Marco Rogert
Rechtsanwalt / Wirtschaftsjurist
E-Mail: office@ru-law.de
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Im zweiten VW-Verfahren vom 28. Juli erteilte das Gericht dem Anspruch auf deliktische Zinsen nach § 849 BGB eine Absage (Az. VI ZR 397/19). In der Vergangenheit hatten etliche Gerichte Klägern zusätzlich zum Schadensersatz Zinsen in Höhe von vier Prozent seit dem Autokauf zugesprochen – dabei ergaben sich teilweise fünfstellige Summen. Bereits bei einer Verhandlung am 21. Juli (Az. VI ZR 354/19) hatte der Senat angedeutet, dass er die Deliktzinsen auf das Geld, das die Geschädigten in den Autokauf gesteckt haben, für eine „nicht gerechtfertigte Überkompensation“ halte. Diese Auffassung hat der BGH nun noch einmal bekräftigt. Die Klägerin habe ihr Fahrzeug voll nutzen können; damit sei von einem „kompensierenden Austausch“ auszugehen.
Um die vieldiskutierte Frage, ob vom Schadensersatz für geschädigte VW-Kunden eine Nutzungsentschädigung für die zurückgelegten Kilometer abzuziehen sei, ging es in einem Verfahren am 21. Juli. Den Nutzungsausgleich hatte der BGH bereits in seinem Grundsatzurteil vom 25. Mai bejaht – und nun erneut bekräftigt (Az. ZR 354/19). Die Höhe der Nutzungsentschädigung ist dabei von den unteren Instanzen festzulegen. Bei älteren, viel gefahrenen Fahrzeugen kann es dazu kommen, dass sie den Schadensersatz vollständig aufzehrt – so geschehen im Revisionsverfahren eines Passat-Käufers, der mit dem Diesel rund 200.000 Kilometer gefahren ist. Hier sei der finanzielle Schaden durch die lange Nutzung ausgeglichen, so der Vorsitzende Richter Stephan Seiters.
Im zweiten Fall ging es um die Schadensersatzklage eines Tiguan-Käufers, die das OLG Braunschweig mit der Begründung zurückgewiesen hatte, dass der Schaden durch ein Software-Update beseitigt worden sei. Außerdem habe der Kläger nicht schlüssig darlegen können, welche Person bei Volkswagen ihn geschädigt habe (20.08.2019, Az. 7 U 5/18). Das sahen die Karlsruher Richter anders: Ein Software-Update ändert nichts an der sittenwidrigen Schädigung und der Verantwortlichkeit von Volkswagen (Az. VI ZR 367/19). Das OLG Braunschweig muss den Fall nun neu verhandeln.
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