Nach der bislang vorherrschenden Rechtsauffassung sind Schadenersatzansprüche von vielen VW-Kunden im Diesel-Abgasskandal seit Ende 2019 verjährt. Das Amtsgericht Marburg vertritt aber nun die Ansicht, dass der Schadenersatzanspruch von Geschädigten nicht nach 3 Jahren, sondern gem. § 852 BGB erst nach 10 Jahren verjähren soll (16.06.2020, Az. 9 C 891/19).
Im § 852 BGB heißt es wie folgt: „Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an …“
Voraussetzung ist, dass grundsätzlich ein Schadenersatzanspruch besteht – und das hat der BGH im Diesel-Abgasskandal klar bejaht, zunächst nur in Hinblick auf VW, doch das Urteil dürfte richtungsweisend für die Verfahren gegen andere Autohersteller sein.
Dr. Marco Rogert
Rechtsanwalt / Wirtschaftsjurist
E-Mail: office@ru-law.de
Telefon: +49 (0) 2234/219480
Der Beschluss des Amtsgerichts Marburg wirft ein neues Licht auf eine ungeklärte und umstrittene Frage. Schadenersatzansprüche wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB sind üblicherweise nach 3 Jahren verjährt – so sieht es § 195 BGB vor. Bis heute strittig ist allerdings, wann genau diese 3-Jahres-Frist beginnt. Laut § 199 BGB läuft sie ab dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist bzw. der Dieselkäufer Kenntnis von den „anspruchsbegründenden Umständen“, also vom Vorhandensein einer illegalen Abschalteinrichtung hatte oder hätte haben müssen. Genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Denn zur Frage, wann die Kunden von der Abgasmanipulation, insbesondere beim Skandal-Motor EA 189, hätten wissen können, gibt es bis heute verschiedene Ansichten:
Besondere Regelungen gelten für Dieselkäufer, die sich der Musterfeststellungsklage gegen VW angeschlossen hatten, aber ihre Teilnahme widerrufen oder das VW-Vergleichsangebot nicht erhalten bzw. nicht angenommen haben.
Darüber hinaus sind weitere Fragen offen: Was gilt für Dieselkäufer, die andere Fahrzeuge des Volkswagen-Konzerns, etwa Audi oder Porsche erworben haben? Oder Fahrzeuge mit anderen Motoren, etwa dem EA 288? Wann verjähren die Ansprüche von geprellten Mercedes- und BMW-Käufern? Und wie wirken sich Software-Updates auf die Verjährung aus? Schließlich hat sich gezeigt, dass die Abgasreinigung oftmals selbst nach Software-Updates nur innerhalb eines engen Temperaturbereichs funktioniert. Solche Thermofenster haben sowohl deutsche Gerichte als auch die Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofs klar als illegal bewertet.
Geht man, wie das Marburger Amtsgericht, von einer Anwendung des § 852 BGB aus, so verliert die Frage nach der Verjährungsfrist ihre Dringlichkeit, da das Zeitfenster für Forderungen von Geschädigten mit 10 Jahren wesentlich größer ist. Bis zu einem höchstrichterlichen Urteil des Bundesgerichtshofs, das Ende Juli 2020 erwartet wird, bleibt die Thematik brisant. Grundsätzlich muss die Frage nach der Verjährung für jeden Einzelfall geklärt werden. Geschädigte Dieselkäufer sollten daher unbedingt den Rat eines kompetenten und in der Abgasskandal-Thematik erfahrenen Anwalts einholen.
Als führende Anwälte im Abgasskandal stehen wir Ihnen bei allen Fragen zur Seite. Auf unserer Website finden Sie stets aktuelle Informationen sowie eine Chronik der Ereignisse. Gerne prüfen wir Ihre individuellen Ansprüche und informieren Sie über die Möglichkeiten einer risikolosen Prozesskostenfinanzierung. Dafür sind wir von Montag bis Freitag, jeweils von 9 bis 18 Uhr, unter der Rufnummer (0)2234/21 94 80 erreichbar.
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