Fünf Jahre nach Bekanntwerden des VW-Dieselabgasskandals und drei Jahre nach unserem bundesweit ersten Urteil wegen des Abgasbetrugs im Januar 2017 in Hildesheim hat der BGH einen Meilenstein gesetzt: Als höchste Instanz hat der VI. Zivilsenat festgestellt, dass Volkswagen seine Kunden durch den Einbau von Abschalteinrichtungen nach § 826 BGB vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat – und das über Jahre hinweg und strategisch geplant. Deshalb schuldet VW seinen Kunden Schadenersatz in Höhe des Bruttokaufpreises. Das gilt auch für Gebrauchtwagen. Dabei, so der Vorsitzende Richter Stephan Seiters, sei der Schaden bereits beim Vertragsschluss zum Kauf des manipulierten Fahrzeugs entstanden. Ein Software-Update ändere daran nichts. Im Rahmen des sogenannten Vorteilsausgleichs müssen sich geschädigte Kunden allerdings eine Nutzungsentschädigung für gefahrene Kilometer anrechnen lassen, das deutsche Recht einen „Strafschadensersatz“ nicht vor. Das spart VW eine Menge Geld – und zwar umso mehr, je länger sich die Verfahren hinziehen.
Professor Dr. Marco Rogert
Dass es nun endlich ein höchstrichterliches Urteil gibt, ist nicht zuletzt dem Durchhaltewillen des Käufers eines manipulierten VW-Sharan zu verdanken, der beharrlich und unbeirrt durch alle Instanzen vom Landgericht Koblenz bis zum BGH gegangen ist und sämtliche Vergleichsangebote von VW abgelehnt hat.
Mit einem tiefen Griff in die Unternehmensschatulle ist es dem Wolfsburger Autokonzern – ebenso wie der Daimler AG – bislang stets gelungen, höchstrichterliche Urteile zu verhindern und den größten Industrieskandal der Bundesrepublik zu einer schier unendlichen Geschichte auszudehnen.
Verfahren gegen VW vor dem Bundesgerichtshof standen bereits 2018 und 2019 an, doch in beiden Fällen zogen die Kläger kurz vor dem Start ihre Klage zurück, nachdem sie einen – wahrscheinlich großzügig dotierten – Vergleich mit VW geschlossen hatten. Ihre Rechtsauffassung haben die Karlsruher Richter 2019 dennoch in einem Hinweisbeschluss dargelegt. Darin vertraten sie die Auffassung, „dass bei einem Fahrzeug, welches bei Übergabe an den Käufer mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, die den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert, vom Vorliegen eines Sachmangels auszugehen sein dürfte“.
Prof. Dr. Marco Rogert
Rechtsanwalt / Wirtschaftsjurist
E-Mail: office@ru-law.de
Telefon: +49 (0) 2234/219480
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Das heutige Grundsatzurteil des BGH bringt Klarheit und Rechtssicherheit in der zentralen Frage nach der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung. Weitere entscheidende Fragen sind aber noch offen geblieben: etwa nach deliktischen Zinsen, die Geschädigten von vielen Landgerichten und einigen Oberlandesgerichten zugesprochen wurden. Diese spannende, wirtschaftlich bedeutende Rechtsfrage wird in den weiteren, für Juli anberaumten Verhandlungsterminen geklärt werden. Ebenfalls offen bleiben die Fragen nach dem Verjährungsbeginn und damit dem Verjährungseintritt sowie die Frage, ob ein Fahrzeugerwerb nach Bekanntwerden des Abgasskandals in der Öffentlichkeit dennoch zu Schadenersatz berechtigt.
Von der heutigen Entscheidung des BGH profitieren alle Kläger, in deren Verfahren es noch kein höchstrichterliches Urteil gibt, ebenso Verbraucher, die an der Musterfeststellungsklage gegen VW teilgenommen hatten, aber das Vergleichsangebot von VW nicht akzeptiert haben. Autokäufer, die bis heute nichts unternommen haben, können ebenfalls noch klagen. Für sie besteht allerdings ein erhöhtes Prozessrisiko, weil einige Gerichte von Verjährung ausgehen. Außerdem sind nicht nur Käufer von Dieselfahrzeugen mit EA 189-Motoren betroffen. Auch weitere Motoren wurden manipuliert und neben VW haben auch BMW, Daimler und andere Hersteller ihre Kunden getäuscht.
Als führende Anwälte im Abgasskandal stehen wir Ihnen bei allen Fragen zur Seite. Auf unserer Website finden Sie stets aktuelle Informationen sowie eine Chronik der Ereignisse. Gerne prüfen wir Ihre individuellen Ansprüche und informieren Sie über die Möglichkeiten einer risikolosen Prozesskostenfinanzierung. Dafür sind wir von Montag bis Freitag, jeweils von 9 bis 18 Uhr, unter der Rufnummer (0)2234/21 94 80 erreichbar.
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Nach Angaben von VW liegen bei den unteren Gerichten noch rund 60.000 weitere Klagen. Das Urteil des Bundesgerichtshofs bringt für diese Verfahren Rechtssicherheit in wichtigen Grundfragen. Es kann gut sein, dass auf dieser Grundlage weitere Vergleiche geschlossen werden.
Mit dem Urteil ist aber längst nicht alles entschieden. Andere Fallkonstellationen wird sich der BGH in weiteren Verfahren genauer ansehen - zum Beispiel, ob VW-Kunden auch dann Schadensersatz zusteht, wenn sie ihr Auto erst nach Bekanntwerden des Dieselskandals gekauft haben. Die drei nächsten Verhandlungen zu VW-Klagen haben die Karlsruher Richter für Mitte und Ende Juli angesetzt. Auch hat sich im Laufe der Zeit herausgestellt, dass noch weitere Motorentypen - auch von anderen Herstellern – mit einer zweifelhaften Software ausgestattet worden sind.
Michael Heese, Professor an der Universität Regensburg, der sich intensiv mit Urteilen im Dieselskandal befasst. Die Schätzung des Konzerns zu den noch offenen Verfahren hält der Jurist für zu niedrig und geht von rund 100.000 einzelnen Klagen aus, über die noch entschieden werden muss. Er weist darauf hin, dass sich schon im vergangenen Jahr zahlreiche Käufer von der Musterfeststellungsklage abgemeldet hatten, um in das individuelle Klageverfahren zu wechseln.