Üblicherweise können Autokäufer Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Verkäufer aufgrund von Sachmängeln bis zu zwei Jahre nach dem Fahrzeugerwerb geltend machen. Allerdings stellen die illegalen Abschalteinrichtungen, die VW in Dieselautos eingebaut hat, eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung dar. Bei diesem Schadensersatz-Anspruch gilt grundsätzlich eine Verjährungsfrist von drei Jahren bis zum Jahresende. Wann genau diese Frist beginnt, ist allerdings nicht klar. Laut § 199, Abs. 1 Nr. 1 BGB beginnt sie einerseits am Ende des Jahres, in dem der Schaden entsteht, also als die illegalen Abschalteinrichtungen in das Fahrzeug eingebaut wurden. Andererseits ist auch relevant, wann der Eigentümer des Fahrzeugs von der Abgasmanipulation und von seinen Ansprüchen erfahren hat (§ 199 Abs. 1 Nr. 3 BGB).
Genau hier liegt die Krux: Ab wann hatten geschädigte Autobesitzer wirklich Kenntnis von den Abgasmanipulationen und ihren daraus resultierenden Ansprüchen gegenüber den Herstellern? Ab dem 22. September 2015, als VW in einer Ad-hoc-Mitteilung über „Unregelmäßigkeiten bei der Entwicklung von Dieselmotoren.“ informiert hat? Nach dem Beginn der Rückruf-Aktion des Kraftfahrt-Bundesamts am 15. Oktober 2015? Oder konnten die Betroffenen erst 2017, als die ersten Gerichte verbraucherfreundliche Urteile gefällt hatten, davon ausgehen, dass sie Schadenersatzansprüche an VW haben?
Ein bemerkenswertes Urteil zu diesen Fragen hat das Landgericht Trier gefällt (19.09.2019, Az. 5 O 417/18): Die dreijährige Verjährungsfrist könne erst beginnen, wenn es eine höchstrichterliche Entscheidung gebe.
Der Auffassung des Landgerichtes Trier haben sich sowohl das Landgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 05.02.2020, Az. 2-O4 O 321/19) als auch das LG Duisburg (Urteil vom 20.01.2020, Az. 4 O 165/19) angeschlossen. Letzteres geht sogar noch weiter. In dem Urteil heißt es:
Solange also der BGH keine Entscheidung in den Abgasfällen getroffen hat, beginnt auch die Frist nicht zu laufen. Dabei ist interessant, dass sich der für das VW-Verfahren zuständige 6. Senat bereits in früheren Verfahren zum Thema Verjährungsbeginn geäußert hat. So weist das Gericht etwa in einem Urteil vom 31. Januar 1995 darauf hin, dass ein Geschädigter „nicht verpflichtet ist, im Interesse des Schädigers … eigene Initiativen zur Erlangung der Kenntnis über den Schadenshergang und die Person des Schädigers zu entfalten. In einem weiteren Urteil (18.01.2000, Az. VI ZR 375/98) hat der Senat die Rechtsauffassung noch einmal bestätigt. Geschädigte Autokäufer müssten demnach nicht im Interesse der Autokonzerne übermäßige Aktivitäten entfalten, um einen frühen Verjährungsbeginn sicherzustellen.
Prof. Dr. Marco Rogert
Rechtsanwalt / Wirtschaftsjurist
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