„Wir haben nie betrügerische Software eingesetzt, und werden das auch nicht tun“, behauptete Daimler-Chef Dieter Zetsche 2016. Bis heute bestreitet der schwäbische Autokonzern den Betrieb unzulässiger Abschalteinrichtungen in seinen Fahrzeugen – obwohl deswegen inzwischen Hunderttausende Fahrzeuge zurückgerufen wurden. Mehr noch: Lange Zeit hat sich der Konzern konsequent geweigert, Gerichten Informationen über die Motoren seiner Fahrzeuge oder Rückrufbescheide des Kraftfahrt-Bundesamtes vorzulegen. Gleichzeitig unterstellte man den Klägern, ohne Belege ins „Blaue hinein“ zu argumentieren. Diese Verhandlungsstrategie schien aufzugehen: Die Gerichte haben fast alle Klagen von Daimler-Kunden abgewiesen. Gegenüber dem Handelsblatt bezifferte ein Unternehmenssprecher die Erfolgsquote der Kläger vor Landgerichten auf lediglich 5 Prozent.
Vor wenigen Monaten beendete der Bundesgerichtshof (BGH) diese Praxis. Das höchste deutsche Zivilgericht beanstandete, dass die Vorinstanz, das Oberlandesgericht (OLG) Celle, in einem Schadenersatz-Verfahren kein Gutachten eingeholt hat, um zu klären, ob im OM 651-Motor eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut wurde. Damit habe das OLG den Anspruch des klagenden Verbrauchers auf rechtliches Gehör nach Artikel 103 Abs. 1 Grundgesetz verletzt. Der BGH fand es ausreichend, wenn ein Kläger auf eine Rückrufliste des KBA verweise und die Abschalteinrichtung mit einfachen Worten beschreibe.
Dieser richtungsweisende Beschluss der Karlsruher Richter (28.01.2020, Az. VIII ZR 57/19) hat die Chancen getäuschter Daimler-Kunden entschieden verbessert. In letzter Zeit mehren sich Urteile gegen den Konzern. Zuletzt verurteilten das Landgericht Freiburg (13.03.2020, Az. 8 O 71/19) und gleich mehrfach das Landgericht Stuttgart (in gleich 5 Verfahren am 31.03.2020) den Autobauer wegen sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB zu hohen Schadenersatzzahlungen plus deliktischer Zinsen. Angesichts dieser Entwicklung bemüht sich man sich in Stuttgart vermehrt um Vergleiche mit Klägern.
Prof. Dr. Marco Rogert
Rechtsanwalt / Wirtschaftsjurist
E-Mail: office@ru-law.de
Telefon: +49 (0) 2234/219480
Professor Dr. Marco Rogert