Wenn das KBA Abschalteinrichtungen in Dieselfahrzeugen bewusst gebilligt und die Typengenehmigung erteilt hat, haben Käufer keinen Anspruch auf Schadensersatz – vorausgesetzt, der Autohersteller hat im Genehmigungsverfahren alle erforderlichen Angaben wahrheitsgemäß und vollständig gemacht. In diesem Falle liege eine „wirksame Genehmigung vor“. Von einem Mangel könne unter diesen Vorzeichen also keine Rede sein und dem Käufer drohe keine Stilllegung des Fahrzeugs. An dieser Auffassung hat der 7. Senat des OLG Celle bislang stets festgehalten.
Die Argumentation eines Klägers in einem Berufungsverfahren hat allerdings bewirkt, dass das Gericht seine Haltung noch einmal hinterfragt. Im zugrundeliegenden Fall ging es um Schadensersatzforderungen gegen Volkswagen wegen illegaler Softwaremanipulationen am Abgassystem eines VW Tiguan Highline 2.0 l TDI mit EA 288-Motor (Landgericht Verden, Az. 2 O 249/17). Der Käufer des Tiguan hatte erklärt, dass das KBA, das sich im Typengenehmigungsverfahren stets auf die schriftlichen Angaben des Herstellers verlasse, von Volkswagen getäuscht worden sei.
Das Celler Gericht ist offensichtlich nicht völlig davon überzeugt, dass Volkswagen alle Fakten zur eingesetzten Software vollständig und wahrheitsgemäß offengelegt hat – Grund genug für den Senat, mit einem Beweisbeschluss Licht ins Dunkel zu bringen (14. Juli 2020, Az. 7 U 532/18). Vorrangig geht es dabei um die Frage, ob die Software zur Steuerung der Abgasreinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung enthält, über deren Vorhandensein das KBA von Volkswagen getäuscht wurde und die es nicht erkennen konnte.
Dr. Marco Rogert
Rechtsanwalt / Wirtschaftsjurist
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Im Rahmen des Beweisbeschlusses soll das KBA zunächst mittels einer amtlichen Auskunft darlegen, ob
• es den Dieselmotor EA 288 nach Abschluss des EG-Typengenehmigungsverfahrens auf das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung überprüft hat – und wenn ja, mit welchem Ergebnis;
• in dem Tiguan des Klägers eine unzulässige Abschalteinrichtung eingesetzt ist;
• die diese Abschalteinrichtung die Wirkung des Emissionskontrollsystems verringert, so dass die installierte Software anhand des Lenkwinkels, der Temperatur und der Zeiterfassung erkennt, ob sich das Fahrzeug im NEFZ-Prüfzyklus befindet – und ob infolge einer solchen Zykluserkennung eine kurzfristige Optimierung der Abgasnachbehandlung auf dem Prüfstand erfolgt;
• ggf. vorhandene Abschalteinrichtungen für den Motorschutz und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs notwendig sind, ob sie nicht länger arbeiten als für den Motorschutz erforderlich und ob die Bedingungen in den Prüfverfahren des Emissionsverhaltens im Wesentlichen enthalten sind;
• solche ggf. vorhandenen Abschalteinrichtungen vom Hersteller verschwiegen oder durch unvollständige Angaben verheimlicht wurden.
Sollte eine weitere Aufklärung des Sachverhalts erforderlich sein, will das Gericht einen Gutachter bestellen, der feststellen soll, ob
• in dem Tiguan des Klägers eine Abschalteinrichtung verbaut ist.
• In dem Fahrzeug ein Thermofenster wirksam ist, das die Abgasnachbehandlung bei Temperaturen unter 17 °C und über 30 °C so stark reduziert, dass im Normalbetrieb wesentlich mehr Stickoxide ausgestoßen werden als auf dem Prüfstand.
Als führende Anwälte im Abgasskandal stehen wir Ihnen bei allen Fragen rund um Ihren Schadenersatzanspruch zur Seite und prüfen Ihre individuellen Ansprüche. Gerne informieren wir Sie auch über die Möglichkeiten einer risikolosen Prozesskostenfinanzierung. Dafür sind wir von Montag bis Freitag, jeweils von 9 bis 18 Uhr, unter der Rufnummer (0)2234/21 94 80 erreichbar.
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